Eine Geschichte von Gary

 

 


Noch fünf schöne Jahre


In meinen besten Jahren war ich ein stattlicher Kater gewesen, hatte mich immer irgendwie alleine durchgeschlagen. Geboren auf einem Bauernhof, blieb mir ja auch nichts

anderes übrig.

 

Mein Leben war ein einziger Kampf. Es bestand aus Jagen und der Suche nach paarungswilligen Katzen. Hier in unserem Dorf, hab ich für viel Nachwuchs gesorgt. 


Revierkämpfe mit anderen Katern gehörten schon fast zur Tagesordnung, was man mittlerweile auch an den vielen Narben sehen konnte.Den Menschen ging ich aus dem Weg, sie machten mir Angst und zeigten mir oft genug, dass sie mich nicht sonderlich mochten.

Jetzt lag ich also da, und ließ mein Leben Revue passieren. Ich hatte die Augen geschlossen und wartete nur darauf für immer einzuschlafen, als ich plötzlich eine menschliche Stimme hörte. Ich öffnete die Augen, war aber zu schwach um wegzulaufen.


Die Stimme klang sehr liebevoll und besorgt. Ich spürte eine Hand, die über mein Fell streichelte. Dieses Gefühl war mir fremd, ich hatte so viel Nähe noch nie zugelassen. Jetzt hatte ich keine Wahl und ließ es geschehen. 

Als sich der Mensch entfernte, wusste ich nicht ob ich es gut oder schlecht finden sollte. Irgendwie war es ein schönes, beruhigendes Gefühl gewesen die Hand auf meinem Rücken zu spüren.

 

Kurz darauf stand der Mensch wieder vor mir und stellte mir eine Schüssel mit etwas unglaublich gut riechendem hin. Ich sammelte meine letzten Kräfte, ich wollte das unbedingt probieren. Aufstehen konnte ich nicht, mir versagten die Hinterbeine. Also versuchte ich im Liegen davon zu essen. Leider klappte auch das nicht so richtig und so schleckte ich nur ein bisschen daran herum.

Ich konnte mich nicht mal wehren, als der Mensch mich auf den Arm nahm und in eine Kiste legte. Ich hatte mit meinem Leben abgeschlossen und erwartete das Schlimmste. 

Nach der Fahrt in einem Auto landete ich bei einem anderen Menschen, der an mir rumfummelte und mich piekste. Er schaute mir in die Ohren und in den Mund und tastete meinen ganzen Körper ab. Dann wurde ich in einen Käfig gesperrt. Täglich wurden mir Spritzen verpasst und einmal bin ich dann ganz fest eingeschlafen. Als ich wieder aufwachte, hatte ich keine Zähne mehr. Wie durch ein Wunder ging es mir dann von Tag zu Tag besser.

So langsam begriff ich, dass die Menschen es hier gut mit mir meinten und ließ es auch zu, dass sie mir übers Fell streichelten.

Einige Wochen später, wurde ich wieder in ein Auto geladen. Panik ergriff mich; was hatte dieser Mensch mit mir vor?

Als die Transportbox geöffnet wurde, erkannte ich sofort meine alte Heimat wieder.
Ich wollte aber nicht zurück, ich hatte doch gerade erfahren, wie schön das Zusammenleben mit einem Menschen sein kann.

Aber da war diese Frau, die mich gefunden hatte und die nahm mich liebevoll in den Arm.
Und da war auch der Rest der Familie, die sich alle darüber zu freuen schienen, dass ich da war.


Plötzlich wandelte sich mein Leben komplett. Ich hatte ein Zuhause und bekam sogar einen Namen. Ich hieß jetzt Gary und durfte mit der Familie und anderen Katzen im Haus leben. Ich bekam leckeres Futter, wurde gestreichelt, gebürstet und liebevoll umsorgt. Jetzt, wo ich ein alter Kater war, erfuhr ich zum ersten Mal in meinem Leben was Liebe ist.


Diese fünf Jahre in der Familie waren die schönsten in meinem Leben.
Dank täglicher Tablettengabe, ging es mir trotz Schilddrüsenüberfunktion richtig gut.

Dann machte sich irgendwann das Alter bemerkbar. Das Fressen viel mir schwer und manchmal war ich total zerstreut.Immer wieder fuhr Fauchen mit mir zum Tierarzt. Ich bekam alle möglichen Spritzen, aber gegen das Alter waren wir alle machtlos.

 

Ich hatte furchtbar abgenommen und war sehr schwach, als Frauchen weinend mit mir in die Praxis fuhr. Sie redete die ganze Fahrt über, dass es ihr leid täte, aber für mich das Beste sei, damit ich nicht mehr leiden müsse. Sie sagte mir, dass sie mich ganz doll lieben würde und es mir bald besser gehe.


Dann lag ich auf ihrem Schoss und spürte ihre Tränen in meinem Fell. Als ich die Spritze bekam hörte ich sie schluchzen, dann schlief ich auch schon ein.

Liebes Frauchen, du hast alles richtig gemacht!
Du hast mir die schönsten fünf Jahre meines Lebens geschenkt und du hast mich gehen lassen, als das Leben nur noch eine Qual für mich war.

Du hast mich auf meinem letzten Weg begleitet und mir gezeigt, was Liebe ist und dafür danke ich dir.

Liebe Familie, ich werde nie vergessen was ihr für mich getan habt.

Euer Gary

Geschrieben von 
Jeanette S

 
 

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